Haus Farbezin
von Charlotte Bogner Obersüßbach


Elisabeth (Else) geb. v. Brockhausen
* Franzburg 10.10.1877
+ bei Vertreibung 26.10.1945


Das Alte Wohnhaus in Farbezin,
erbaut 1820


Das neue Herrenhaus in Farbezin,
erbaut 1876


Wappen der Familie v. Dewitz und v. B...


Gustav v. Dewitz (523)
*Farbezin 21.06.1825
+Farbezin 02.02.1895
X Klein Benz 05.09.1849


Clara v. Dewitz, geb. v. Vormann
*Greifenberg 11.01.1828
+Farbezin 04.08.1890


Anna-Katharina, geb v. Diest
*Plantikow 23.10.1896
+Schönweide 30.09.1984
und
Gustav v. Dewitz (754)
*Cramonsdorf 19.03.1879
+ von den Russen erschossen zu Kl.-Benz 05.03.1945
X Plantikow 22.02.1916

Die Söhne

Engelke v. Dewitz (845)
*Plantikow 26.09.1917, + vermisst seit 18.02.1945 in der nördlichen Eifel


Tönnies von Dewitz (846)
*Plantikow 26.09.1917, + gefallen bei Staraja Russa am 21.08.1942

Die Töchter

Henriette (857) 1958


Charlotte (879) 1965


Klein Benz - 31.08.1920

Heute gibt es vom Haus Farbezin keine Namensträger mehr, das Haus ist im Mannesstamm erloschen. Für uns Kinder aus Klein Benz waren Onkel Heinz und Tante Else ,,Die Farbeziner". Sie hatten keine Kinder, deshalb adoptierten sie ihren Neffen Engelke, um einen Erben zu haben.
Tante Else war eine besondere Frau. Sie malte Ahnenbilder, die im großen Eßsaal an den Wänden hingen. Sie konnte gut weben, z.B. Teppiche, sie liebte auch ihren großen Garten, in dem ein zahmes Reh lebte. Onkel Heinz war ein vorzüglicher Landwirt. Zu Farbezin gehörten auch die Güter Kramonsdorf und Klein Benz. Letzteres war wohl als Witwensitz vorgesehen. Als unser Vater Gustav im Jahre 1916 heiratete, bekam die verwitwete Mutter Carola geb. Gräfin Rittberg eine Villa in Naugard, in der sie mit ihrer Tochter Carla bis zu ihrem Tod (1935) lebte.
Die jüngste Schwester meines Vaters war Tante Stephana, die einen Herrn Kannenberg geheiratet hatte. Sie lebte mit ihrem Mann und zwei Kindern auf dem Gut Groß Benz - ganz in unserer Nähe. Als ihr Sohn nach dem Tod des Vaters die Bewirtschaftung in Groß Benz übernahm, kaufte sie sich einen Hof in Hinterpommern. Sie war eine vorzügliche Landwirtin. Ihre Liebe galt den Pferden - weshalb sie von den Arbeitern in Groß Benz ,,Schimmel-Kallén" genannt wurde. Auch Hunde waren ihre Lebensgefährten:
Russische Windhunde haben in ihrem Leben eine große Rolle gespielt.
Meiner Großmutter muß der Abschied von Klein Benz sehr schwer gefallen sein. Hatte sie doch mit viel Geschick und Verstand den Hof, die Gartenanlage und den Park erstellen lassen. Wann die Kirche erbaut wurde, ist mir nicht bekannt. Ein russischer Kriegsgefangener hat sie im ersten Weltkrieg ausgemalt. Am Ende des Dorfs lag das Schulhaus mit der Lehrerwohnung und dessen Scheune und Stall. Ca. 50 Kinder wurden hier von einem Lehrer unterrichtet. Ich selbst habe die ersten vier Grundschuljahre hier verbracht und dabei eine Menge gelernt. Sogar das Stricken gehörte zur Schulausbildung! In diese Schule gingen die Schulkinder von Klein Benz und Wussow.
Außer dem Gutshof gab es keine weiteren Höfe im Dorf nur zwei Arbeiterhäuser für 2 Familien und vier Arbeiterhäuser für je 4 Familien. Der Förster, der zugleich Gärtner war, wohnte am Gutshof.
Dieses Gut Klein Benz übernahm mein Vater Gustav (754) nach seiner Heirat 1916. Dort wurden wir vier Kinder geboren. Unsere Mutter war eine geborene von Diest aus dem benachbarten Plantikow. Sie hing sehr an ihrer väterlichen Familie. Auch wir Kinder waren oft bei unseren Großeltern dort und sind durch die liebevolle und friedliche Atmosphäre in diesem Haus stark geprägt worden.
Das Gut umfaßte 555 ha leichten Boden, davon waren 200 ha Wald. Es wurden vor allem Roggen und Kartoffeln angebaut. Außerdem gab es 40 Milchkühe, 300 Zucht- und Mastschweine sowie 300 Schafe. Für die Feldarbeit und die Beförderung von Personen und Gütern gab es 24 Pferde, außerdem einen Trecker (Lanz Bulldog), der nur vom Treckerfahrer gefahren werden durfte. Die wirtschaftliche Lage verschlechterte sich mit der Inflation und deren Folgen. Mit Hilfe der Landberatung und äußerster Sparsamkeit konnte ein Konkurs verhindert werden. Meine Mutter hat großen Anteil an der Bewirtschaftung genommen. Vor allem hatte sie ein sehr persönliches Verhältnis zu unseren Arbeitern, von denen sie ,,Muttchen" genannt wurde; die Arbeiter haben immer treu zu ihrer Herrschaft gehalten. Allmählich gelang es auch, die Arbeitshäuser auszubauen und zu vergrößern. Aber Wasserleitungen zu den Arbeiterhäusern gab es bis 1945 nicht.
Unser Leben war mehr von Arbeit als von Vergnügungen und Festen geprägt. Tante Else hat früher Kinderfeste ausgerichtet, ich meine das war in Kramonsdorf Eine persönlich Erinnerung daran habe ich nicht. Unser gesellschaftlicher Verkehr spielte sich meistens in Plantikow ab. Kontakte zum Nachbargut Wussow gab es nicht. Meine Brüder habe ich kaum mehr erlebt, weil sie zur Schule in Internaten waren und nur in den Ferien nach Hause kamen. Nach ihrer Schulzeit machten sie eine Landwirtschaftslehre und anschließend gingen sie zur Wehrmacht. Engelke (845) wurde Artillerist wie sein Vater.
Tönnies (846) ging zu den Stolper Reitern. Nun mußten beide aufs Pferd, dabei hatten beide sich nie für das Reiten interessiert. Gleich danach kam der Krieg mit allen seinen Schrecken. Tönnies ist 1942 am Ilmensee gefallen, von Engelke haben wir seit dem 18.02.1945 nichts mehr gehört, er war vermißt. Daß er gefallen ist, haben wir erst viel später mit Gewißheit erfahren.
Meine Schwester Henriette war auch im Internat. Nach ihrer Schulzeit machte sie eine Hauswirtschaftslehre . Danach war sie bei unserem Onkel Hen (Heinrich von Diest - Zeitlitz), der ein erstklassiger Landwirt war, bei ihm hat sie sehr viel gelernt. Er übergab ihr die Bewirtschaftung des Gutes Schmorow, welches er für eine seiner Töchter gekauft hatte. Ette liebte Hunde von frühester Jugend an über alles. Erst waren es Airdales, dann Irische Terrier und später Dackel.
Ich selbst mochte Hunde auch sehr gerne. Als kleines Kind wurde ich einmal von einem Hund gebissen, als ich unter dem Tisch saß, wo mich der Hund offensichtlich für seinesgleichen gehalten hat und deshalb rein spielerisch zugebissen hat. Dieses Erlebnis hat meine Zuneigung zu Hunden nicht negativ beeinträchtigt. Aber meine große Liebe galt zeitlebens den Pferden. Ich erinnere mich daran, daß mir einmal in der Vorweihnachtszeit von einem Geschenk erzählt wurde, das ich bekommen sollte. Aus den Andeutungen schloß ich, daß es ein Pferd sei. Meine Enttäuschung zu Weihnachten war sehr groß, als sich herausstellte, daß es Gummistiefel waren - und ich hatte mich so auf ein Pferd gefreut! Gummistiefel waren damals etwas sehr kostbares, aber ich mochte sie der Enttäuschung wegen nicht und habe sie nie getragen. Später (1937) bekam ich ein Pony, es wurde von meinem Spargeld gekauft. Bei den ersten Reitversuchen half er Kutscher. Während der Sommerferien an der Ostsee bekam ich auch Reitstunden, die wurden von den Verwandten aus Zülzefitz (Friedrich Wilhelm von Wedel) gestiftet. Anläßlich eines Sommermanövers der Wehrmacht ritt ich voller Begeisterung mit den Soldaten durchs Gelände, ich habe dieses Erlebnis in sehr guter Erinnerung. Später bekam ich dann ein richtiges Pferd, mit dem ich viel unternommen habe. So ritt ich selbstverständlich zu den Verwandten nach Plantikow, unternahm auch schöne Ausritte. Einmal ritt ich mit meinem Bruder Engelke aus und auf dem Heimritt ging mein Pferd durch. Es raste im Galopp nach Hause, wo ich sofort kehrt machte und mit dem Pferd über einen Stoppelacker jagte und es so lange galoppieren ließ, bis es sich beruhigt hatte - es ist mir dann nie wieder durchgegangen. Dieses Pferd hieß ,,Petra", es war eine Trakehner-Stute, die 1945 zuverlässig unseren Treckwagen bis nach Schleswig Holstein gezogen hat.
Nach Abschluß der Dorfschule war ich vorübergehend in Zülzefitz, wo ich zusammen mit meinem Vetter Ernst (von Wedel) Unterricht bei einer Hauslehrerin hatte. Später kam ich ins Internat in Potsdam, es war das ,,Augusta-Stift". Dies war die einzige Möglichkeit für uns Landkinder, ein Gymnasium zu besuchen. Meine Interessen galten aber mehr der Landwirtschaft, weshalb ich das Abitur nicht machte, sondern mit einer Landwirtschaftslehre bei Dr. Ohly in Kränzun begann. Diese Lehre setzte ich später fort bei Onkel Friedrich Wilhelm (von Wedel) in Zülzefitz. Er war mein bester Lehrherr. Während dieser Lehi7eit in Zülzefitz wurde ich auf Veranlassung des Zülzefitzer Ortsgruppenleiter der NSDAP bei den Arbeiten am Ostwall eingesetzt. Ich führte eine Gruppe von 30 Landmädchen, obwohl ich nie beim BDM gewesen war. Diese Gruppe arbeitete sehr erfolgreich, was mir eine Beförderung zur ,,Scharführerin" einbrachte. Bei einem Singwettbewerb gewann ich mit meiner Gruppe. Dies war in der Zeit vom August bis September 1944.
Als unser Verwalter in Klein Benz, Herr Meyer eingezogen wurde, kam ich nach Hause, ich sollte mich um den Betrieb kümmern. Das hat meine Mutter veranlaßt. Dadurch wurde mein Ostwall-Einsatz verkürzt.
Beim Einrücken der russischen Truppen im März 1945 wurden Ackerwagen umgerüstet, damit die Leute einschließlich der Flüchtlinge nach Westen trecken konnten. Es war jedoch zu spät, die Abfahrt gelang nicht mehr. Im Dorf waren deutsche Soldaten, die ebenfalls flüchteten, aber auf die anrückenden Russen schossen. Daraufhin trieben die Russen alle Männer zusammen und erschossen sie. Das Massengrab enthielt mehr als 20 Leichen. Mein Vater liegt in einem Bombentrichter im Gemüsegarten.
Meine Mutter mußte - wie alle anderen Frauen auch - Schreckliches erdulden. Erst im Herbst 1945 bekam sie mit den restlichen Dortbewohnern die Erlaubnis zur Ausreise in den Westen.
Meine Schwester und ich sind am 2. März 1945 mit Pferd und Wagen losgefahren und mit vielen Mühen aber unbehelligt in den Westen gelangt. Uns hat ein Engel behütet.
Wie ich nach vielen Jahren erfahren habe, wurde das Gutshaus in Klein Benz zerstört. Bekannte, die Klein Benz später wieder gesehen haben, rieten mir dringend ab, es noch einmal wieder anzusehen. Heute wird Klein Benz von Wussow aus bewirtschaftet, das dortige Gutshaus ist offensichtlich erhalten geblieben.

 

 
   
   
geändert: 07.03.2020